Romantik, Guns&Glamour und das Militär - Potsdam bei der Debattier-WM in Botswana

Wir erfinden die Romantik, lernen unsere Freunde mit Guns&Glamour kennen. Außerdem Gespräche über Namibia, Einblick in die Orga und unser Weg durch neun Vorrunden. Das Potsdam-Team bei der Debattier-WM in Botswana.

Botswana ist so in etwa das Gegenteil von dem, was wir aus Afrika kennen. Nicht mal 2 Millionen Einwohner, prosperierend, Demokratie, aber trotzdem immer der gleichen Partei und sonst ist das Land eher dörflich, Landwirtschaft mit gemütlichen Einwohnern. Vielleicht das Bayern von Afrika?

 

Die Debattier-WM hier ist jedenfalls etwas ganz Besonders, mehrere Jahre hat sich die Orga beworben, im Dezember liefen TV-Spots im Fernsehen. Nicht nur Botswana wollte sich damit präsentieren, Debattieren sollte dadurch in Afrika bekannter werden – und tatsächlich, es gab auch mehrere Teams aus Ruanda, Uganda, Zimbabwe, Namibia, Nigeria. Die Uni Botswana boomt definitiv, es wird fleißig gebaut, allerding sind auch die Probleme zu sehen, viele Plakate warnen vor Aids. Von den rund 1,8 Milllionen Einwohner sind laut UN-Statistik von 2007 knapp 24% mit dem Aids-Virus infiziert, also HIV positiv.

Am ersten Vorrundentag gibt Moritz für Potsdam den Drei-Tagesplan aus: 5 Punkte sollen es am ersten werden und nach neun Runden auf jeden Fall mehr als die 9 vom letzten Jahr. In der ersten Debatte reden wir über Minderheiten-Quote für Nationalteams:

 

This house believes that national sporting teams should reflect the diversity of the national population. Wir treffen auf unsere Bekannten aus Bangladesch wieder, die uns im letzten Jahr mit der Phrase beeindruckten, dass es in vielen Ost-Asiatischen Ländern bei Wahlen auf zwei Dinge ankäme: Guns and Glamour. In diesem Jahr zeigen sie eine interessante Teamchoreographie: Während ein Redner spricht, gestikuliert der Teamkamerad in Richtung Juror, um klar zu machen, welche der Punkte besonders wichtig sind.

 

Die Pause danach gibt uns die Möglichkeit über die verschiedenen Nationalsportarten zu reden. Bei uns Deutschen natürlich Fußball aber in Südafrika ist es Kricket, Fußball und Rugby. In Kricket, so erfahren wir später, gab es eine Quote. Der Sport der weißen Oberschicht sollte so auch Schwarzen Chancen geben – mit Erfolg, die Quote wurde 2007 abgeschafft und einige Schwarze schaffen es seit dem auch so ins Team. (Was trotzdem seit Jahrzehnten daran leidet, ewiger Favorit zu sein, aber nie etwas Großes zu reißen.)

 

Wir werden in der ersten Runde zweiter und treffen in der nächsten Runde auf Oxford A (die späteren Finalisten). Wir in der Eröffnenden Regierung, Oxford in der Eröffnenden Opposition und Mainz in der Schließenden. Thema: Jeder Staat hat das Recht auf Atomwaffen. Natürlich wird Oxford erster aber wir, wir werden zweiter. Als Kinder des kalten Krieges erzählen wir vom Frieden und gleicher Abschreckung – natürlich glauben wir nicht, was wir da sagen, aber schlüssig Begründen wir es trotzdem, das macht schließlich debattieren aus.

 

Auch in der letzten Runde werden wir zweiter, wir treffen wieder auf Ally aus Vermont, deren Universität den Debattier-Professor Alfred Snider beschäftigt. Wie im letzten Jahr geht es wieder um Ehe und wie im letzten Jahr erklärt Moritz, dass wir Deutschen ja die Romantik erfunden haben und dass natürlich die Liebe und nicht die Kohle das wichtigste in einer Beziehung sei. Findet die Jury zwar nicht aber mit unseren anderen Argumenten werden wir zweiter. Unser Juror, Daniel Warrents liefert dabei in 15 Minuten ein so durchdachtes Feedback hab, dass wir sprachlos lauschen, wie tief er die Debatte durchdacht hat, nicht die Debatte, die er hören wollte, sondern die tatsächlich stattfand. Wow! Wow auch für uns, sechs Punkte nach drei Runden. Das Soll ist übererfüllt.

 

Der zweite Tag läuft nicht ganz so glücklich, zweimal vierter und einmal zweiter (in der letzten Runde des Tages, wo wir erklären, warum Lehrer nicht streiken dürfen.) Zusätzlich zur persönlichen Enttäuschung sammelt sich auch Frust über die Orga: Manchmal ist das Essen einfach alle, obwohl dutzende noch auf ihre Portionen warten. Abends müssen Getränke bezahlt werden und sind mit 2-3 Euro pro Dose Bier schon auf dem Niveau einer Bar in München – obwohl die Teilnehmer sich vor dem Kiosk der Uni treffen.

 

Noch ein paar weitere Anekdoten: Einige Leute hatten ihre Visa nicht erhalten, andere mussten an der Grenze übernachten und die Helfer mit ihrem Handy um Hilfe anrufen lassen. Zu Beginn fehlten Unterkünfte, die erst noch gefunden werden mussten. Vegetarier bekamen heimlich Fleisch, obwohl sie nachfragten, Moslems, die Halal wollten, genauso heimlich Schweinefleisch. Zu Silvestern ging der Alkohol aus. Einige Teams zogen dann einfach in ein Hotel um die Ecke.

 

Wir heften uns derweil Buttons für Berlin an und machen Reklame für die Worlds-Bewerbung der Berlin Debating Union, die in zwei Jahren die WM im eigenen Land ausrichten will.

 

Auch am letzten Tag der Vorrunden reden wir mit Teams aus Macao und China, die aber eigentlich schon alle für Berlin sind.

 

Das Thema: Alle die via Internet kommunizieren, sollen identifizierbar sein. Obwohl die Runde ohne offenes Feedback läuft, finden wir heraus, dass wir sie aus der eröffnenden Opposition gewinnen.

 

Wir treffen in der Runde auf ein Team aus Namibia. Da es dank Orga und Essensverspätung wieder eine große Pause gibt, lässt sich die Zeit nutzen, um mit den beiden über ihr Land zu reden, sie erzählen, dass es wegen der Deutschen Kolonial Herrschaft Anfang des 20. Jahrhunderts noch viele Deutsche Namen dort gäbe, außerdem laden sie zum Besuch, es sei schön in ihrem Land. Leider muss Moritz nach der WM wieder nach Berlin und unsereins hat schon eine Verabredung mit Südafrika – aber vielleicht später.

 

Die Vorletzte Runde bringt ein südafrikanisches Thema: Die Länder der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft sollen eine politische Union anstreben, trotz Fischer Weltalmanach sind wir etwas unsicher, was diese Gemeinschaft denn eigentlich ist, aber die erste Regierung, obwohl aus der Region (Ich glaube Tansania) schummelt sich auch nur so durch.

 

Unsere Hoffnungen steigen, wenn wir in der letzten Runde nicht ganz blöd sind, kommen wir vielleicht in den ESL-Break, also die K.O.-Runden für Teams, deren zweite Fremdsprache Englisch ist. Das Thema: Soziale Bewegungen sollen sich lieber an Gerichte als an die Politik wenden, um Wandel zu erreichen. Wir raffen leider erst zu spät, dass dies ein sehr amerikanisches Thema ist und werden vierter. Unsere Kernargumentation lautet: Gerichte können keine Gesetze schaffen, wenn in einem Gesetz Unrecht verankert ist, wiederholen Gerichte dieses Unrecht nur. Aber in den USA ist das eben anders, nur sagt das die Eröffnende Regierung eben nicht. Daher werden wir unglücklich vierter und verpassen so das Break wegen Rednerpunkten.

 

Dafür können wir uns die nächsten zwei Tage entspannen: Moritz geht auf eine kleine Safari, ich besuche mit einem Helfer ein Dorf und er stellt mich seiner Familie vor.

 

Berlin schafft es tatsächlich und überzeugt die Debattier-Vollversammlung mit ihrer Bewerbung, also, die WM in zwei Jahren um die Ecke!

 

In den K.O.-Runde unterstützen wir die anderen deutschen Teams an, Stuttgart schafft es gar bis ins Halbfinale des ESL-Breaks, Gratulation von hier aus nochmal an die besten Deutschen.

 

Für die Finals fahren wir in einen militärische bewachten Komplex, schon etwas komisch, besonders als einmal Soldaten durch das Auditorium gehen, um zu gucken, ob jemand Softdrinks mit hineingenommen hat – aber gut.

 

Das ESL und EFL Finale bringen beide Siege für die Eröffnende Regierung, wobei besonders das EFL-Finale meiner Meinung nach den richtigen Sieger hat, ein Team aus Tokio, die sich gegen erfahrene Debattierer aus Kroatien (schon letztes Jahr im EFL-Finale) und Serbien durchsetzen konnten und sich freuten wie die Schneekönige.

 

Das ESL-Finale demonstriert schönste Einigkeit im Streit, ein Team aus Malaysia und das Team aus Haifa sitzen nebeneinander, zwei Länder, die keine gemeinsamen diplomatischen Beziehungen haben.

Das Main-Final ist übrigens etwas seltsam: This House would invade Zimbabwe ähnelt nämlich dem Thema der letzten Vorrunde – auch Simbabwe mit Diktator Robert Mugabe ist Teil der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft und eine Invasion ist ja auch irgendwie eine politische Fusion. Aber nicht nur das, im Publikum sitzen auch Teilnehmer aus Simbabwe, aber die nehmen das mit Humor. Champion wird übrigens Monash A, ebenfalls Eröffnende Regierung mit sehr überzeugenden Reden, was auffällt, die Opposition mit Oxford A argumentiert mit einem drohenden Bürgerkrieg anstatt dem Recht auf staatliche Souveränität. Das ist insofern interessant, weil damit klar wird, dass Menschenrechte wichtiger als staatliche Rechte sind und der Staat kein argumentativer Selbstzweck mehr ist.

 

Abschlussfeier geht es in einen hübschen Landklub und diesmal gibt es auch reichlich zu essen.

 

Die Organisatoren der nächsten WM, Manila, haben übrigens angekündigt, dass es bei ihnen wieder reichlich Essen und Alkohol geben wird, wir sind gespannt.

 

Trotz des Orga-Chaos war Botswana trotzdem interessant, wann ergibt sich schon die Gelegenheit mit Leuten aus Ruanda und Namibia zu reden.

Wir danken an dieser Stelle dem DAAD, der die Teilnahme der Deutschen Teams mitfinanziert und Professor Fuhrmann, der den Antrag dafür unterstützt hat.

Von: Mathias Hamann

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